Da mich die Frage zur Verwandtschaft der Gattung Phalaenopsis nicht mehr losgelassen hat, habe ich den Artikel, den Heike in ihrer letzten Antwort als Link gepostet hat, ausgedruckt und durchgearbeitet. Ich habe mich - da er sehr kompliziert ist, zumal auf Englisch - an eine Zusammenfassung gewagt, mit Hilfe meines Freundes, der promovierter Biologe ist, da ich dachte, dass die daraus gewonnen Erkenntnisse auch für weitere Sammler des Subtribus Aeridinae sehr interessant sein könnten.
Zum besseren Verständnis empfehle ich zuvor den Wikipedia-Artikel "Klade" zu lesen.
Zusammenfassung ‚A molecular Phylogenie of Aeridinae (Orchiaceae: Epidendroidene) inferred from multiple nuclear and chloroplast regions
Hatten vergangene phylogenetische Untersuchungen zwar teilweise überraschende Verwandtschaftsbeziehungen zutage gefört, so mangelte es den Ergebnissen dennoch vielfach an Aussagekraft, da zu wenige Arten und Gattungen analysiert wurden. In dieser Studie wurden von den etwa 1360 Arten des Subtribus Aeridinae in ungefähr 90 Gattungen 211 Arten in 74 Gattungen untersucht (also knapp 7% aller Arten), und zwar mittels 5 DNA-Markern. Dadurch konnte bestätigt werden, dass es sich bei dem Subtribus Aeridinae tatsächlich um eine monophyletische Gruppe handelt, dass heißt alle Arten und Gattungen der Gruppe gehen auf den gleichen Vorfahren zurück und schließen alle miteinander verwandten Arten ein. Um dies sicher zu stellen wurden auch monopodiale verwandte Arten untersucht, insgesamt 8 Stück (3 Angraecinae, 2 Aerangidinae und 3 Polystachyinae). Diese erwiesen sich als nicht dem Subtribus Aeridinae zugehörig. Die Untersuchung führte allerdings auch zu dem Ergebnis, dass manche Gattungen nicht monophyletisch sind und eigentlich nicht verwandte Arten einschließen. Andersherum zeigte sich, dass sich manche Gattungsgrenzen als unhaltbar erwiesen, da diese künstlich sind und insgesamt eine monophyletische Gruppe bilden würden. Die Untersuchung verschiedener Teile der DNA führte zu der Erkenntnis, dass eine Art, je nach dem welcher DNA-Abschnitt untersucht wurde, entweder Verwandtschaft zu einer Klade oder auch zu einer anderen Klade aufweist. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es im Laufe der Evolution der Aeridinae zu intergenerischer Hybridisierung gekommen sein mag. Dadurch sind auch die Ergebnisse unterschiedlich interpretierbar.
Die Autoren teilen den Subtribus Aeridinae in 10 Kladen, diese teilweise wieder in Subkladen. Diese 10 Kladen sind:
(0) Die älteste Gruppe (‚Outgroup’ genannt) enthält Arten der Gattungen Aeranthes, Jumellea, Sobennikoffie, Solenangis, Podangis, Neobenthamia, Polystachia.
(1) Saccrolabium mit 33 Arten in 22 Gattungen, lässt sich in 3 Subkladen aufteilen: (1a) Pteroceras, (1b) Sarcochilus, (1c) Saccolabium.
(1a) enthält 5 Gattungen: Pteroceras, Brachypeza, Grosourdya, Ascochilopsis, Ascochilus. Pteroceras scheint paraphyletisch, da P. decipiens mit Ascochilus emarginatus, aber nicht mit P. semiteretifolium verwandt zu sein scheint.
(1b) enthält 6 Gattungen: Sarcochilus, Gunnarella, Drymoanthus, Rhinerrhiza, Bogoria, Taeniophyllum.
(1c) enthält 11 Gattungen: Parapterceras, Biermannia, Pennilabium, Saccolabium, Hymenorchis, Amesiella, Tuberolabium, Ceratocentron, Dyakia, Macropodanthus, Cryptopylos.
(2) Chiloschista mit der Gattung Chiloschista.
(3) Phaleinopsis mit 3 Gattungen: Phalaenopsis, Hygrochilus, Ornithochilus. Die letzten beiden sind miteinander verwandt und gemeinsam die Schwester von Phalenopsis. Die Klade Phaleinopsis ist definitiv monophyletisch. Die Analyse zeigt, dass die Gattungen Doritis, Nothodoritis, Lesliea und Kingidium alle Synonyma zu Phalaenopsis sein müssen, da sich genetisch gesehen kein Grund für Gattungsgrenzen finden lässt. Die Gattung Sedirea scheint zur Gattung Hygrochilus zu gehören und nicht zu Phaleinopsis.
(4) Thrixspermum mit 2 Gattungen: Dimorphorchis und Thrixpermum.
(5) Vanda lässt sich in 4 Subkladen aufteilen: (5a) Holcoglossum, (5b) Vanda, (5c) Luisia, (5d) Ascocentropsis. Die älteste Schwester der Klade Vanda, Ascocentropsis pusilla, bildet eine unabhängige Klade für sich selber.
(5a) enthält die Gattungen: Holcoglossum, Paraholcoglossum, Tsiorchis, Pendulorchis, Penkimia.
(5b) enthält die Gattungen: Ascocentrum, Christensonia, Seidenfadenia, Vanda und Neofinetia und diese sind gemeinsam monophyletisch.
(5c) enthält die Gattungen Luisia, Papilionanthe, Paraphalenopsis.
(5d) mit Ascocentropsis.
(6) Aerides umfasst 2 Arten von Rhynchostylis, 2 Arten von Arachnis, 4 Arten von Renanthera, 6 Arten von Aerides und Esmeralda bella. Es scheint der Studie entsprechend so zu sein, dass Aerides, Arachnis und Renanthera monophyletisch sind. Abgesehen von dem schwesterlichen Verhältnis von Esmeralda und Arachnis, und der Tatsache, dass Rhynchostylis Schwester der Mitglieder der gesamten Klade ist, bleiben die Verwandschaftsverhältnisse dieser Klade nach wie vor unklar.
(7) Trichoglottis enthält 8 Gattungen: Ascampe, Adenoncos, Micropera, Cottonia bilden eine Subklade, während Trichoglottis, Staurochilus, Ceratochilus und Ventricularia eine zweite Subklade bilden. Adenoncos parviflora und Micropera pallida …
(8) Abdominea enthält folgende Arten: Abdominea minimiflora, Microsaccus griffithii, Cleisomeria pilosulum, Monanthochilus chysanthus, Diplocentrum congestum.
(9) Gastrochilus enthält 9 Arten von Gastochilus, 1 von Haraella und 4 von Pomatocalpa. Haraella ist schwach verwandt mit Gastrochilus.
(10) Cleisostoma enthält 50 Arten in 14 Gattungen. Die Klade teilt sich in 3 Subkladen: (10a) Cleisostoma, (10b) Uncifera, (10c) Schoenorchis.
(10a) umfasst 10 Arten der Gattung Cleisostoma, eine Art Cleisocentron, 2 Arten Sarcoglyphis, und 2 Arten Stereochilus.
(10b) enthält die Arten U. acuminata, Robiquetia succisa, Smitinandia helferi, S. micrantha und Cleisostoma nangongense.
(10c) enthält 5 Arten Pelatantheria, 10 Arten Cleisostoma, 6 Arten Schoenorchis. Cleisostoma ist triphyletisch, weil sich ihre Arten auf diese drei Subkladen verteilen (womit die einheitliche Gattung nicht aufrecht erhalten werden kann). Manche Gattungen ließen sich nicht in Gruppen organisieren wie Diploprora truncata, D. championii, Vandopsis gigantea, V. lissochiloides, V. undulate, Malleola baliensis, M. ligulata, Robiquetia spatulata, Omoea philippinensis. Die Gattungen Robiquetia, Malleola und Diploprora sind polyphyletisch (bestehen aus nicht unmittelbar miteinander verwandten Arten).
Die 10 Kladen sind entstehungsgeschichtlich angeordnet, d.h. Klade (1) bildet einen Zweig, während Klade (2) – (10) einen Zweig bilden. Als nächste Abzweigung bildet Klade (2) einen Zweig, während die Kladen (3) – (10) einen Zweig bilden und so weiter bis zu Klade (10), die wohl entwicklungsgeschichtlich den jüngsten Zweig des Subtribus Aeridinae bildet. Genauso verhält es sich mit den Subkladen und auch wieder den Gattungen und Arten. Das ganze Verwandschaftsgefüge bildet somit eine Art Stammbaum, wobei davon ausgegangen wird, dass immer eine Vorgängerart sich in genau zwei Folgearten aufzweigt, die sich wieder in genau 2 Arten verzweigen etc. Die stammesgechichtlich älteren Zweige stellen dabei die Endpunkte eines Zweiges dar, während sich die jüngeren Zweige immer weiter verzweigen. Um ganz genau das verwandtschaftliche Gefüge aller Arten innerhalb der Gattungen und aller Gattungen innerhalb der Subkladen und diese wiederum der Kladen zu erfassen, muss man sich den Stammbaum im Artikel genau ansehen. So zweigt sich etwa die Klade (3) Phalaenopsis in einen Zweig auf, der alle Phaleinopsis-Arten enthält und in einen Zweig, der sich wiederum verzweigt in die Gattungen Hygrochilus und Ornitochilus. Die beiden letzteren Gattungen sind also näher miteinander verwandt (Schwestern) wie mit Phaleinopsis (Cousine). Genauso verhält es sich auch innerhalb der Gattungen. Exemplarisch enthält der Stammbaum des Artikels 10 Phaleinopsisarten und zeigt deren Verwandtschaftsverhältnisse zueinander. Die Gattung Hygrochilus enthält auch die beiden Arten Sedirea japonica und Sedirea subparishii. Will man diese also zu Phaleinopsis hinzustellen, so muss man phylogenetisch betrachtet die gesamten Gattungen Hygrochilus und Ornitochilus zu Phalenopsis stellen, da man ansonsten mit Phaleinopsis keine monophyletische Gattung mehr hat (alle Arten der Gattung stammen aus der gleichen Vorgängerart und keine weiteren verwandten Arten, die nicht zur Gattung gezählt werden, existieren).
Anmerkung: Zuweilen werden den Kladen ganze Gattungen zugeordnet, manchmal hingegen einzelne Arten. Dies heißt nicht, dass eine Klade nur aus diesen wenigen Arten besteht. Ich habe immer genau den Wortlaut des Artikels wiedergegeben. Es scheint mir so, als wenn es sich bei der Nennung einzelner Arten um die untersuchten Beispielarten, während es sich bei der Nennung ganzer Gattungen um abstrahierte Rückschlüsse handelt (mehrere Beispielarten stehen für die gesamte Gattung). Ich hätte mir bei dem Artikel diesbezüglich mehr Klarkeit gewünscht. Was auf jeden Fall interessant ist an dem Artikel (vor allem dem zweiseitigen Stammbaum) ist zu sehen, wie nah oder weit zwei Arten aus zwei Gattungen der eigenen Sammlung, die man gerade in Händen hält, verwandt sind. Wenn man nach Verwandtschaft sammelt, dann hilft dies sehr, besser zu verstehen, welche Gattungen verwandt miteinander sind und welche nicht.