Ich möchte euch vom Verlauf einer stammnahen Infektion an einer Phalaenopsis berichten. Oftmals verläuft Stammfäule ja in Windeseile, führt zu Blattfall, kommt zu einem Ende, wenn nichts mehr von der Pflanze übrig ist und wenn man Glück hat, kommt ein Stammkindel aus dem blattlosen Wurzelstrunk hervor. Hier lief es anders, diese Infektion verursachte keinen Blattfall und schritt insgesamt nur sehr langsam voran. Ich habe sie mit den Mitteln bekämpft, die ich zuhause hatte: scharfes Messer, später Skalpell, Zimt, Kupferoktanoat, Aliette, Folicur.
Mein Vorgehen dabei war in mancherlei Hinsicht sicher nicht optimal, aber da ich jetzt ein Jahr lang recht regelmäßig Fotos gemacht habe und selbst gern solche Berichte lese, möchte ich die Sache mit euch teilen. Vielleicht können vor allem Anfänger ein paar für sie nützliche Infos daraus ziehen, wie so eine Infektion bei einer Phalaenopsis oder ähnlichen Monopodialen ablaufen und wie man damit umgehen kann. Nicht bei jeder Pflanze wäre ich so hinterher gewesen, aber diese liegt mir am Herzen.
Vor ca. einem Jahr im Juni 2014 sah ich an einer Phalaenopsis einen kleinen, schwarzen, stammnahen Fleck im Gewebe, den ich zufällig fotografierte, obwohl er noch nicht sonderlich spannend aussah. Hätte ich ihn sofort großzügig weggeschnitten, hätte die Sache wahrscheinlich ein viel schnelleres Ende genommen. Gezögert hatte ich, weil ich erstmal abwarten wollte, wie es sich entwickelt, weil ich so stammnah nicht gern schneiden wollte usw. usw.
Ich erinnere mich nicht, ob die Tropfen zu diesem Zeitpunkt schon von einem Pilzmittel stammten oder ich eine Ladung Staub abgeduscht habe. Nass wurde die Pflanze jedenfalls sonst vorher nie:
Nach ca. einem Monat, im Juli, war der Fleck gewachsen und es zeigte sich am Ende eines Blattes ein weiterer unschöner Fleck. Beide trockneten nicht wie erhofft von selbst ein oder hörten auf zu wachsen, so dass ich mich im August entschied, sie herauszuschneiden, um ein weiteres Fortschreiten zu verhindern.
Das stellte sich als schwieriger heraus als gedacht. Mit dem zwar sehr scharfen, aber zu großen Messer schnitt ich immer wieder etwas zu tief. Auch das Stück Papier, das ich zuvor hinter das Blatt geklemmt hatte, konnte nicht verhindern, dass ich den Stamm etwas verletzte. Während der Prozedur habe ich das Messer mehrfach mit Alkohol desinfiziert, um eine Übertragung des Pilzes an den Schnittflächen und Verletzungen zu verhindern. Die Schnittstellen stäubte ich mit Zimt ein, damit sie schneller abtrockneten:
Oben Blattende mit Fleck, unten das stammnahe Stück mit dem herausgeschnittenen Fleck:
Das nächste Foto entstand weitere zwei Monate später, im Oktober. Man kann erkennen, dass die Schnittstellen und Verletzungen schön hell und trocken vernarbt sind, sich aber unter der linken, schmalen Verletzung erneut ein schwarzer Fleck bildete. Vielleicht war ich bei der Desinfektion des Messers nicht gewissenhaft genug gewesen:
Weil ich wusste, dass der kleine Fleck nicht aufhören würde zu wachsen, entschied ich mich dieses Mal schneller zum Schneiden, versuchte besser zu desinfizieren. Die Schnittstellen bestrich ich mit verdünntem Kupferoktanoat, einem Kontaktfungizid (bläulich im Bild):
Weitere zwei Monate später, im Dezember, hatte sich die Wunde wieder infiziert. Vielleicht hatte ich den Schnittrand beim letzten Mal nicht großzügig genug gewählt oder die Desinfektion reichte (wieder?) nicht aus. Erst waren mir nur die dunklen, trockenen Ränder aufgefallen, doch wenig später sah ich, dass auch vitales Gewebe wieder schwarz zu unterlaufen begann. Während der vergangenen Monate hatte ich irgendwann mit den systemisch wirkenden Fungiziden Folicur (Wirkstoff Tebuconazol) und Aliette (Wirkstoff Fosetyl) behandelt, dennoch war die Infektion wiedergekommen, so dass ich wieder schneiden musste. Es sah ziemlich wüst aus, ich hatte nicht viel Hoffnung, mit einer erneuten Schneidaktion viel auszurichten, wusste aber auch keine andere Möglichkeit:
Unter dem befallenen Blatt befand sich nun das Herzblatt, das es dringend zu schützen galt. Doch auch diesmal gelang es mir nicht, keine Verletzungen zu verursachen. Ich schnitt mit so großem Abstand wie möglich und schwemmte danach alles großzügig mit verdünntem Kupferoktanoat ein. Dabei kann es zu etwas stärkeren Vernarbungen kommen, aber ich wollte möglichst jeden Winkel erreichen in der Hoffnung, verschleppte Sporen im Wundgebiet abzutöten. Es blieb ein ziemliches Schlachtfeld zurück, das zweitjüngste Blatt hing nur noch an einem schmalen Streifen:
Bis zum März tat sich nichts. Die Ränder trockneten teils bräunlich ab, das zweitjüngste Blatt blieb versorgt. Was im Winter rechts in der Blattachsel gewachsen war und ein Stammkindel hätte werden können, stellte sich als Blütentrieb heraus und es zeigte sich ein neues Herzblatt. Es spaltet das Herz, das von außen nicht mehr durch das zweitjüngste Blatt gestützt wird, etwas auf:
Ob die Pflanze heute endgültig geheilt ist, weiß ich nicht, aber ich bin optimistisch. Das frische Herzblatt wird nicht mehr viel größer werden als auf dem folgenden Bild zu sehen, aber das nächste ist schon im Anmarsch. Recht weit oben am Stamm brechen neue Wurzeln durch und ein paar wenige Knospen hat sie sogar auch:
Ein wenig geschlaucht sieht sie noch aus, die älteren Blätter sind rillig:
Ein paar allgemeine Tipps zu Blatt-/Stammflecken und Stammfäule:
- Verfallt nicht gleich in Panik, wenn ihr einen neuen Fleck sichtet, aber behaltet ihn und sein Wachstum im Auge (ggf. Foto machen, mit Filzstift umkringeln, regelmäßig danach schauen)
- Beobachtet die Pflanze während der ganzen Zeit gut, um möglichst schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
- Hat eine Pflanze irgendeine Infektion, stellt sicher, dass ihr eine Ansteckung anderer Pflanzen vermeidet: Separat wässern, hygienisch arbeiten etc.
- Steht fest, dass ihr eingreifen müsst, fragt euch, ob die Pflanze die Kosten wert ist, die eine Rettungsaktion mit offenem Ende verursacht (Fungizid und andere Mittelchen, Skalpell etc.)
- Wenn ihr stammnah schneiden müsst, schafft euch zunächst optimale Bedingungen (beschafft euch ein scharfes, schmales Messer oder Skalpell, sitzt bequem, leuchtet alles gut aus, legt und stellt euch alles bereit, das ihr brauchen könntet)
- Plant die Schnitte, damit ihr möglichst wenig nachschneiden müsst. Wählt den Schnittrand so großzügig wie möglich und desinfiziert das Schneidwerkzeug zwischendurch gründlich (Einwirkzeit beachten), um eine Kontamination der Schnittstellen zu verhindern
Edit: Ich war davon ausgegangen, dass es sich hier um eine Pilzinfektion gehandelt haben muss. Allerdings habe ich mittlerweile die Vermutung, dass es sich um eine bakterielle Infektion gehandelt habe könnte, genauer gesagt eine Infektion mit Pseudomonaden. In diesem Link Orchid Pests and Diseases auf Seite 19 sieht der Fleck auf dem Bild mit dem hellblauem Hintergrund genau aus wie der Fleck am Blatt meiner Phalaenopsis. Auch die Tatsache, dass Pilzmittel keine spürbare Wirkung zeigten, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es eben gar keine Pilzinfektion war. Ein kupferhaltiges Mittel wird in dem Link auch zur Behandlung empfohlen. Ich denke, das Schneiden dürfte letztlich den größten Nutzen gebracht haben.