Hallo, ich bin Geologin, von daher interessiert mich (fast) alles, was irgendwie innerhalb der Erdgeschichte so abgelaufen ist. Ich finde Fossilien schon seit meiner Kindheit spannend, da war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich mich dafür interessieren sollte, ob es eigentlich Fossilien von Orchideen gibt und wenn ja, wie alt die eigentlich sind.
***Was ich hier schreibe, schreibe ich nach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe nicht zu allen Publikationen Zugang - es ist nur aus dem Internet zusammengestellt; ich war nicht in Fachbibliotheken an den Unis unterwegs. Ich bin auch keine Paläobotanikerin! Sollte es also ein viertes, unumstrittenes Orchideenfossil geben, oder irgendetwas ergänzt oder korrigiert werden müssen, immer los und kommentieren. Auch würde ich diesen thread gerne aktualisieren, sobald es etwas Neues gibt.***
Hoffentlich interessiert es euch!
Allgemeines
Orchideen gehören zur Klasse der Bedecktsamer (Magnoliopsida), das schließt so ziemlich alle Pflanzen ein, die eine Blüte haben. Blütenpflanzen gibt es in der Erdgeschichte seit ca 120-130 Millionen Jahren, damit befinden wir uns in der frühen Kreidezeit. Während der frühen Kreide war der Großkontinent Pangäa, der seit dem späten Karbon (ca 306 Millionen Jahre vor heute) bestand, noch im Begriff auseinanderzudriften. Hier eine paläogeographischen Rekonstruktion von Scotese aus dem Oberen Jura (152 Mio Jahre vor heute).
http://www.scotese.com/late1.htm
Man sieht auf diesem Bild ganz gut, dass Südamerika und Afrika noch immer aneinanderhängen, was wichtig für die Evolution der Orchideen ist.
Während der späten Kreide, hier 94 Mio a v.h, öffnet sich langsam auch der Südatlantik.
http://www.scotese.com/cretaceo.htm
Eine Biene in Bernstein
Das wahrscheinlich bis dato älteste (und unbestrittene) Fossil einer Orchidee stammt aus der Dominikanischen Republik, trägt den schönen Namen Meliorchis caribea gen. et sp. nov. und wurde 2007 von Ramírez et al. in Nature erstmals beschrieben: eine Ansammlung von Pollenkörnern (Pollinia) auf dem Rücken einer ausgestorbenen Biene, die in Bernstein eingeschlossen wurde. Der Bernstein ist etwa 15-20 Millionen Jahre alt. Very Jurassic Park! (oder in diesem Falle: Miocene Park).
http://www.nature.com/nature/journal/v44...ature06039.html
Ein Bild von der Biene kann man hier sehen:
http://news.harvard.edu/gazette/story/20...lion-years-old/
Mit diesen Pollenkörnern wurden sehr komplizierte genetische Untersuchungen durchgeführt, mit dem Ziel, den ältesten gemeinsamen Vorfahr der Orchideen festzulegen. Dies macht man mit einer sog. genetischen Uhr, man vergleicht moderne DNA mit der alten und findet irgendwie heraus, wann die DNA solch signifikante Unterschiede ausgebildet hat, dass man von komplizierteren Verwandschaftsbeziehungen ausgehen kann. Dabei geht man von einer Mutationsrate aus, die über einen bestimmten Zeitraum auftritt und die man bei heute immer noch lebenden Pflanzen mit vielen Gattungen und Arten „relativ einfach“ bestimmen kann. Mit diesen Untersuchungen legten die Autoren der Studie das Alter des ältesten gemeinsamen Vorfahren der heutigen Orchideen auf etwa 76-84 Mio a v.h. fest. Man bedenke, das war vor dem großen Aussterben am Ende der Kreidezeit, das auch die Dinosaurier dahinraffte.
Warum gibt es kaum Orchideenfossilien?
Die Orchidaceae sind mit 25000 Arten die größte Pflanzenfamilie, sie sind auf allen Kontinenten (außer der Antarktis) zu finden, jedoch ist ihre fossile Überlieferung rar. Das liegt daran, dass Pflanzen allgemein ein geringes Potential zur Fossilisation haben – die organischen Anteile verrotten einfach zu schnell, wie wir als Orchideen-Kultivare (leider!) oft erfahren müssen. Um gute Pflanzenfossilien zu bekommen, braucht man schon solche Bedingungen wie z.B. die Kohlesümpfe des Karbons, wo Sauerstoff rar war und die natürlichen Zersetzungsprozesse so weit verlangsamt wurden, dass es möglich war, einen Pflanzenabdruck in dem langsam zu Gestein werdenden Morast zu erhalten.
Offenbar waren die Bedingungen in den Ablagerungen eines vulkanischen Sees in Neuseeland ebenfalls gut, denn hier finden sich zwei weitere Orchideenfossilien, beschrieben von Conran et al. in 2009. Sie heißen Dendrobium winikaphyllum und Earina fouldenensis Conran, Bannister & Lee sp. nov.
http://www.amjbot.org/content/96/2/466.full.pdf
Und nicht nur die Ablagerungsbedingungen waren gut, offenbar haben manche Mitglieder der Epidendroideae bestimmte mikroskopische Blatteigenschaften, die eine Fossiliation wahrscheinlicher machen (wird in Conran et al. 2009 beschrieben). Diese fossilen Blattabdrücke sind 23-20 Mio a v.h. in die fein geschichteten Diatomite eingeschlossen worden, sie sind also nur wenig jünger als unsere Pollenkörner. Hier eine Scotese-Karte aus dieser Zeit:
http://www.scotese.com/miocene.htm
Klimawandel - warm oder kühl?
Man erkennt ganz gut, dass Neuseeland zu dieser Zeit schon relativ weit von Südamerika und Afrika entfernt ist, im Grunde haben wir schon eine Kontinent-Konfiguration wie heute. Die ursprünglichsten Orchideen müssen sich also vor dieser Zeit verbreitet haben; eben vor dem Aufbrechen des Südatlantik in der späten Kreide. Und damit kommen wir zur letzten der hier vorgestellten Veröffentlichungen, Gustafsson et al, 2010.
http://bmcevolbiol.biomedcentral.com/art...471-2148-10-177
In der Abbildung 1 sehen wir ein Diagramm der heutigen Subfamilien der Orchideen, und ihr Auftreten in der Erdgeschichte. Es wurde hier eine andere Methode der genetischen Datierung vorgenommen. Was man schön sieht, ist, dass die große Radiation ungefähr im Eozän stattfindet. Der Forscher Ramirez, der 2007 die Biene mit den Pollenkörnern beschrieben hat, nahm an, dass die große Diversifikation mit einer Phase des Temperaturanstiegs (ca 59-52 Ma) einherging, die im sog. Eozänen Klimamaximum (ca 52 Ma) gipfelte. Die Temperaturen waren rund 12°C wärmer als heute.
Die Autoren Gustafsson et al, 2010 haben mit ihrer (besseren?) Methode jedoch jüngere Alter herausbekommen und verbinden die Radiation mit einer globalen Abkühlung. Im späten Eozän (ca 49 Ma v.h.) begann nämlich langsam, aber sicher die Vereisung des antarktischen Kontinents – der Auftakt zu unserem heutigen Eishausklima. Sie argumentieren, dass Ökosysteme durch die Abkühlung heterogener wurden und so neue Nischen geschaffen wurden.
Sie schlagen außerdem als Alternative vor, dass das Klimamaximum im frühen Eozän für eine Aussterbewelle verantwortlich sein könnte, die neue Nischen schuf.
Tja, da gibt es sicherlich hitzige Diskussionen auf Fachtagungen!