Aus aktuellem Anlass (Dresdner Ostern) möchte ich an dieser Stelle über meine Erfahrungen mit neuerworbenen Pflanzen berichten und welche Konsequenzen ich daraus gezogen habe. Mein Ziel ist es, die Orchideenliebhaber, die momentan noch etwas blauäugig und leichtfertig mit dem Thema umgehen, zu einer sensibleren Handlungsweise zu motivieren.
Da ich nicht über eine Kamera mit entsprechendem Makroobjektiv verfüge, ist dieser Bericht leider ohne Fotos. Aber im Internet und auch in diesem Forum werdet ihr genügend gruselige Bilder zum Thema finden...
Jeder von uns kennt das: Man ist vom Angebot in den Dresdner Messehallen überwältigt und gibt mehr aus, als man vorhatte. Schwerbepackt mit Tüten kommt man nach Hause und schnell werden dann die Schätzchen stolz als "Beutebilder" in diversen Foren präsentiert.
Ein halbes oder auch erst ein Jahr später findet man dieselben Pflanzen dann im Schädlingsbereich wieder, die Überschrift ist immer ähnlich: "Hilfe, was hat meine Orchidee?"
Meistens handelt es sich um einen Befall mit der falschen Spinnmilbe, die häufig aus Asien mit den importierten Pflanzen eingeschleppt wird. Aber auch in deutschen Gewächshäusern fühlt sie sich wohl. In jedem Betrieb, der aus Asien importiert (ohne Ausnahme), ist sie unter Garantie nachweisbar!
Wie in Asien die Phals kultiviert werden, dürfte ja den meisten bekannt sein: ein Gartengrundstück wird einfach mit ein paar hundert Metern Schattierungsgewebe überspannt und darunter hängen dann die Pflanzen an Holzgestellen, meist in Sphagnum getopft oder aufgebunden. Insektizide sind teuer und die spart man sich gleich, es ist billiger, ab und zu eine kranke Pflanze zu entsorgen, statt teures Gift zu kaufen. Außerdem finden sich unter diesen Bedingungen bald genügend Predatoren ein, die für ein biologisches Gleichgewicht sorgen.
Nun steht Dresden vor der Tür, die Pflanzen werden mit einem Fungizid eingesprüht (aber nur, weil dies eine phytosanitäre Vorschrift der EU-Einfuhrbehörden ist), verpackt und fliegen nach Deutschland. Aber sie fliegen nicht allein. Einige von ihnen haben blinde Passagiere an Bord...
In Deutschland haben diese blinden Passagiere erstmal nichts zu lachen: zu kühl, zu trocken, und überhaupt, der ganze Reisestress. Aber der nächste Sommer kommt bestimmt und mit der Sonne lassen sich auch unsere achtbeinigen "Freunde" an unserer Fensterbank blicken. Dumm nur, dass wir sie ohne Lupe fast nicht sehen. Deshalb können sie ungestört von ihren Feinden ihre Tätigkeit aufnehmen (fressen und vermehren).
- Die deutschen Händler setzen oft Raubmilben ein, diese sorgen jedoch nur für ein biologisches Gleichgewicht, vernichtet wird die Brevipalpus dadurch nicht! Das muss man wissen, will man selbst Raubmilben einsetzen. -
Nun zu meinen persönlichen Erlebnissen, mit denen ich auch gleich einige Illusionen zerstören werde, was gutgemeinte Quarantäneratschläge betrifft.
Im Herbst 2010 habe ich eine Phal. Tetrasambo bestellt. Die Pflanze kam erst kürzlich aus Taiwan, sie saß noch in dem typischen Folientopf mit Moos. Damals habe ich noch vieles anders gehandhabt, allerdings habe ich bereits alle Neuzugänge sofort umgetopft (zu der einzigen Ausnahme vor einem Monat, die ich prompt bereut habe, komme ich später). Die Pflanze wuchs zufriedenstellend, wenn auch nicht gerade üppig. Vor einem Monat habe ich die Pflanze zufällig mit einer Lupe untersucht. Zufällig deshalb, weil ich eigentlich alle Pflanzen regelmäßig mit einer Lupe absuche, diese Tetrasambo hatte ich jedoch schon so lange, da erschien mir dies nicht nötig.
Oh weh, wie sehr man sich täuschen kann!! Ich kam genau richtig: durch den schönen März fühlten sich Dutzende Brevipalpus animiert, sich über die gesamte Pflanze auszubreiten. Ich muss sie gerade dabei erwischt haben, wie das Versteck in einer Blattachsel zu eng wurde und die ganze Sippschaft auf Wanderschaft ging.
Die Pflanze wird seit Beginn aufgehängt in einem Topf separat kultiviert. Separat gesprüht, nicht getaucht. Sie hatte also niemals Kontakt zu anderen Pflanzen, sozusagen eine Art unbeabsichtigter Quarantäne von 18 Monaten!! Und erst in diesem Frühjahr konnte ich den Befall entdecken. Inzwischen ist sie "clean", sie beginnt bereits Wurzeln und ein Herzblatt zu schieben - die Milben haben also offensichtlich sehr gut auf ihre Kosten gelebt.
Wer also meint, es sei damit getan, seine Neuerwerbungen für 6 Monate auf eine separate Fensterbank zu stellen, der kann irgendwann eine böse Überraschung erleben. Zumal man dann kaum noch nachvollziehen kann, von welcher Pflanze der Befall ursprünglich ausging.
Substrat: Vor zwei Monaten erhielt ich eine Lieferung von einem Händler, bei dem viele von euch regelmäßig bestellen. Die Pflanzen wurden prophylaktisch behandelt (wie ich nachfolgend noch ausführlich beschreiben werde), das Substrat war jedoch offensichtlich ganz frisch, die Pflanze musste kurz vor oder sogar für den Versand gerade erst getopft worden sein. Da dachte ich, mache ich mal eine Ausnahme, denn es ist doch Blödsinn, frisches Substrat durch frisches zu ersetzen.
Vor vier Wochen wunderte ich mich über die vielen Krümel, die aus dem Topf unten herausrieselten, dachte mir aber nichts dabei. Vor zwei Wochen dann hatte ich morgens (noch etwas verschlafen und halbnackt) eine nette Begegnung mit einem großen Tausendfüssler, der sich, über meinen Boden schlängelnd, auf dem Weg zu meiner Küche befand, allerdings bestimmt nicht, um schon mal Frühstück vorzubereiten.
Sofort kam mir ein Verdacht und ich wurde auch prompt fündig: In dem angeblich frischen Substrat saß eine ganze Großfamilie Tausendfüssler (diese braune, asiatische Art; der Schrecken aller Vitrinenbesitzer) und ließ sich die Kokoschips schmecken. Diese Tierchen tun zwar den Pflanzen nichts zuleide, aber sie zerstören das Substrat derart, dass die Wurzeln zu faulen beginnen (was in meinem Fall bereits eingesetzt hatte).
Fazit:
1. Quarantäne ist schön und gut, aber keine Garantie.
2. Niemals, wirklich nie, eine Ausnahme im Behandlungsregime machen!
Mein Behandlungsregime:
- Ausnahmslos jede Pflanze, die in meinen Bestand kommt, wird ausgetopft und gründlich (Leute, kauft euch eine Lupe, die ist so wichtig wie ein Leitwertmessgerät!) untersucht.
- Danach wird die gesamte Pflanze (auch die Wurzeln!) gründlichst mit einem starken(!) Sprühstrahl Spinnmilbenfrei abgebraust (von Bayer oder Dr. Stähler, es gehen auch Kanemite oder Kiron, aber bitte Finger weg von den "Hausmittelchen"! - siehe auch Rüdigers hervorragende Threads über Insektizide.)
Ganz besonderes Augenmerk muss dabei auf die Blattachseln gelegt werden! Diese müssen gründlich geflutet werden, etwas, was man wegen Fäulnisgefahr sonst natürlich vermeidet, aber einmal schadet es nicht und es muss sein!
An dieser Stelle eine Anmerkung zum Lizetan-Spray Plus. Nur im Spray ist das Akarizid Methiocarb enthalten, welches gegen Milben wirksam ist. Methiocarb ist ein hochgiftiger und sehr potenter Wirkstoff, der zuverlässig tötet. Leider ist jedoch wegen der Verdunstungskälte des Treibmittels laut Hersteller ein Sprühabstand von mind. 30-40cm einzuhalten. Dieser Abstand ist jedoch zu groß, um die Blattachseln gründlich genug mit Gift zu fluten!. Deshalb habe ich den Sprühabstand zweimal unterschritten und beide Pflanzen fast umgebracht... Was ich damit sagen will: Lizetan-Spray lieber für Rosen oder Grünpflanzen verwenden, für unsere Zwecke ist es nicht geeignet.
- Die Pflanze kommt in frisches Substrat und in einen frischen, mit heissem Wasser gespülten Topf.
- Die so behandelten Neuzugänge dürfen in den Bestand, aber ohne Blatt- oder sonstigen Kontakt zu den anderen Pflanzen! Sie werden separat getaucht oder eben gesprüht/gegossen.
- Nach drei Wochen werden die Neuzugänge nochmals mit Spinnmilbenfrei behandelt.
Wer dieses Regime durchführt, wird mit Spinnmilben oder Tausendfüsslern, etc. garantiert keine Probleme mehr haben!
Auch wenn es arbeitsintensiv ist (ich habe gestern 5h benötigt, um meine Dresdner Neuzugänge derart zu versorgen), die Pflanzen danken es einem und man muss nicht ein halbes Jahr später einen Thread "Hilfe, was hat meine Orchidee" eröffnen...